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22. 08. 2021 / 12 - 14 Uhr

Eine Kooperation mit dem Frankfurter Kranz, Netzwerk kulturschaffender Frauen in Frankfurt.

Texte von Sonja Müller und Carolin Kropff, siehe unten.

Alle Teilnehmer:innen waren eingeladen, am Prozess des Kunstmachens mit Textilien teilzunehmen und mit der Schauspielerin und Regisseurin Nicoleta Danila und der Künstlerin Carolin Kropff über die Hintergründe und Möglichkeiten des Quilten zu sprechen. Dr. Sonja Müller vom Frankfurter Kranz moderierte das Gespräch.
 

Das Werkstattgespräch widmete sich dem Thema textiler Hand-Arbeit und künstlerischer Praxis. Es nahm Bezug auf die vorangehende Ausstellung  „“ Hassan Sharif & Carolin Kropff und das gemeinsame Machen eines Quilts mit der Schauspielerin und Regisseurin Nicoleta Dănilă. ​ Am Beispiel von englischen Paper-Piecing wurde Quilten als soziale Praxis vorgestellt  und Erfahungen mit dem English Paper Piecing  mit den Teilnehmerinnen ausgetauscht .

Der Hintergrund:

Nicoleta Dănilă wird von ihrer Erfahrung beim gemeinsamen Nähen ihres Babyquilts erzählen, den die beiden Künsterinnen vor der Geburt des Sohnes Radu aus Krawatten genäht haben. Carolin Kropff wird Einblick geben in ihre Arbeit mit Patchwork, englischem Paper-Piecing, über die Rolle von Quilten als Ausdruck sozialer Verbundenheit und Nachhaltigkeit, über Bilderfindung und das Nähen mit der Hand. Desweiteren wird sie über ihren Quilt Rainbow Garden und über ihr Verständnis von der Arbeit von Hassan Sharif reden, der seine künstlerische Praxis als Weben bezeichnet hat.

Nicoleta:

Das Quilten war eine heilende Erfahrung. Nach einer gescheiterten Beziehung und der Nachricht einer unerwarteten Schwangerschaft war ich ziemlich erschüttert. Ein Kind verändert alles. Das Leben, wie man es kennt ist es plötzlich nicht mehr. Ich brauchte etwas, das mir half, mich mit dem Gedanken zu versöhnen, dass ich alle Pläne, die ich für mich hatte, entweder für eine Weile auf Eis legen oder ganz aufgeben musste. Als Caro also vorschlug, dass wir zusammen an einem Babyquilt arbeiten sollten, musste ich nicht lange überlegen.

Wenn man darüber nachdenkt, ist das Leben selbst ein Flickenteppich. Die Erinnerung an jeden Menschen, der uns begegnet, die Erinnerung an jeden Tag sie sind nichts als Flicken auf diesem unsichtbaren Lebenszeit-Quilt, den wir unwissentlich nähen. Wenn wir zurückblicken, was sehen wir dann? Wie ein abgenutzter Stoff verlieren einige der Erinnerungen ihre Farbe und verblassen. Gegenstände tragen Erinnerungen, Stoffe tragen Erinnerungen. Und ich möchte mich erinnern. Als Student trug ich immer Krawatten mit lustigen Motiven. Ich weiß nicht, warum ich sie mit nach Deutschland gebracht habe. Vielleicht waren sie eine Erinnerung an die besten Jahre meines Lebens? Eine Zeit der Freiheit, der Unbesorgtheit? Eine Zeit, von der ich mich jetzt verabschieden wollte.

Caro und ich haben diese Krawatten für den Babyquilt verwendet. Indem ich meinem ungeborenen Sohn einige meiner schönsten Erinnerungen schenkte, ließ ich ihn wissen, dass er willkommen ist und geliebt wird. Caro hat mich bei diesem Prozess sehr unterstützt. Sie hat mir gezeigt und beigebracht, wie es gemacht wird, aber sie hat mir auch die Freiheit gelassen, alle Vorlagen zu zeichnen und alle Entscheidungen zu treffen. In gewisser Weise gab sie mir die Werkzeuge in die Hand und versicherte mir, dass ich nichts falsch machen könne. Das Quilten mit Caro gab mir die Möglichkeit, das Leben, wie ich es kannte, loszulassen und mich auf das vorzubereiten, was kommen würde. Ich war dabei zu heilen und hatte keine Ahnung, dass ich das tat. Schöne Erinnerungen halten meinen Jungen warm. Buchstäblich.

 

Carolin:

Es gibt faszinierende Kombinationen von Möglichkeiten, einen Quilt zu kreieren, und es gibt eine inhärente Verbindung durch die Herstellung von Quilts zu Menschen, Zeit und Geschichten. Ich nehme mir die Zeit, mehr über dieses Handwerk zu lernen. Meine Untersuchung über eine mehr materialbasierte Art und Weise, farbige Oberflächen durch Malen (oder Färben, Drucken, Nähen) und Schneiden von Textilien (wie Leinwände oder solche, die bereits von jemandem getragen werden) zu gestalten, ermöglicht mir eine direktere Verbindung zu den Menschen und erlaubt mir, die Malerei neu zu denken. Und dabei zeigen sich Gemeinsamkeiten in den sogenannten niedrigen und hohen Künsten. In den Dingen, die wir machen, steckt ein kreatives und bedeutungsvolles Potenzial. Wenn ich mir die handgefertigten Textilkreationen ansehe, die hauptsächlich von Frauen auf der ganzen Welt gemacht werden, bin ich einfach überwältigt von der Vielfalt der Ausdrucksformen, Innovationen, Handwerkskunst und Improvisation. Die Unterstützung für Familie und Gemeinschaften, die mit diesen Kreationen einhergeht, ist für mich ebenso faszinierend.

Textilien sind überall. Wir leben buchstäblich in Stoffen, dekorieren unsere Häuser damit, benutzen sie, um Dinge zu transportieren und so weiter. Hight or low? Wen interessiert das schon?

2007 habe ich das große Glück gehabt und Hassan Sharif in Dubai kennengelernt. Ich möchte ihn hier zitieren:

"I'm not trying to make magic of some kind that would impress an audience as to how the work is created. There are no secrets. The philosophical or psychological question here is how, as an artist, I give myself the authority to make art."

"Ich versuche nicht, irgendeine Art von Magie zu schaffen, die ein Publikum davon beeindrucken würde, wie das Werk entsteht. Es gibt keine Geheimnisse. Die philosophische oder psychologische Frage hier ist, wie ich mir als Künstler die Autorität erteile, Kunst zu machen."

Hassan hat gern von seiner künstlerischen Praxis als Weben gesprochen.

Ich habe viel Zeit damit verbracht, Textilien, ihr Formenvokabular, ihre manuellen Herstellungsprozesse sowie ihre kulturellen und sozial-ökologischen Hintergründe zu verstehen. Mit meiner Vorbereitung auf Hassan Sharifs Hommage fühle ich mich ermutigt, noch mehr Zeit mit der Erforschung der Prozesse und Hintergründe von Textilien zu verbringen. Durch meine Mitarbeit an Nicoletas Baby-Quilt fühle ich mich ermutigt, mehr über die Arbeit mit Textilien als eine in der Kunst verwurzelte soziale Praxis zu lernen.

Nicoleta Dănilă hat an der Universität für Darstellende Kunst in Rumänien studiert und 2010 als Schauspielerin (BA) und 2013 als Regisseurin (MA) ihr Studium abgeschlossen. Sie zieht Regiearbeit der Schauspielerei vor. Seit 2015 lebt und arbeitet sie in Frankfurt am Main.

Carolin Kropff hat an der Kunstakademie Düsseldorf und der Städelschule Frankfurt am Main studiert und vorher am Theater in Dortmund als Herrenschneiderin und Kostümbildassistentin gearbeitet. Von 1999 - 2002 unterhielt sie ein Studio in Madrid, Spanien und 2006 - 2011 in Dubai, VAE. Seit 2015 arbeitet sie mit der britischen Künstlerin und Fashion- Designerin Felicity Brown zusammen. 2020 hat sie den STUDIOSPACE Lange Straße 31 in Frankfurt am Main gegründet. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Über MACHEN:

MACHEN - ist eine Reihe von Werkstattgesprächen, eine Kombination aus Künstlergespräch und Workshop, in der das Publikum die Möglichkeit hat, mit den eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern in ein Gespräch über das Machen von Kunst zu treten. Es geht um das Machen von etwas, das mit Textilien zu tun hat, um Handarbeit, die eher als Frauendomäne gesehen wird, um die Idee des gemeinsamen Machens und die Arbeit mit Textilien als soziale Praxis.

Die Werkstattgespräche wurden von einer Ausstellung im STUDIOSPACE Lange Straße 31, Frankfurt am Main begleitet.

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