Alex Katz & Vroni Schwegler
28. 09. 2017
19 bis 22 Uhr
Text: Angelica Horn, siehe unten.
Während meiner Studienzeit an der Kunstakademie Düsseldorf lernte ich die Malerei von Alex Katz in einem wunderbaren Seminar von Joachim Peter Kastner kennen und schätzen. Später an der Stādelschule Frankfurt habe ich viele Stunden mit Vroni über Tizian, Rubens und viel andere Maler und Malerinnen gesprochen und mich mit ihr ausgetauscht, auch über Alex Katz. Wir waren uns oft einig, in seinem Fall allerdings nicht.
Für diese One - Night - Ausstellung habe ich Vroni Schwegler eingeladen, zwei ihrer frühen Portraitmalereien einem Siebdruck von Alex Katz, ein Selbstportrait, gegenüberzustellen, der sich in unserer Sammlung befindet.
Alex Katz, geboren am 24. Juli 1927, ist ein amerikanischer figurativer Künstler, der für seine Gemälde, Skulpturen und Grafiken bekannt ist. Er wird international von zahlreichen Galerien vertreten.
Vroni Schwegler schreibt über eins ihrer Portraits:
In Laetitias Küche (1994) ist ein Bild aus meiner Studienzeit in der Klasse von Hermann Nitsch an der Städelschule.
Seit ein paar Monaten war ich mit dem Filmemacher Günter Zehetner liiert, der halb wegen des Studiums bei Peter Kubelka in der Klasse für Film und Kochen als Kunstform und halb wegen mir von Wien nach Frankfurt gezogen war. Laetitia ist seine Frankfurter Vermieterin, die es mit uns vielleicht nicht ganz leicht hat: Ihre Küche ist der Schauplatz unseres Ringens um die jeweilige Identität als Künstler und als Paar. Das Bild spiegelt diese existentielle grundlegende Phase und zeigt meine Auseinandersetzung mit früher italienischer Malerei, mit Giotto vor allem, den ich zu dieser Zeit besonders verehre.“
Vroni Schwegler hat an der Städelschule, Hochschule für Bildende Künste, Frankfurt/M., Klasse Hermann Nitsch Kunst studiert, Meisterschülerin.
Stilleben und Porträt
Vroni Schwegler und Alex Katz in der Ausstellungsreihe „ “
Angelica Horn
Die eintretende Person blickt zunächst auf ein recht großformatiges und leuchtend farbiges Frontalportät eines jung wirkenden Mannes, das ihr an der Stirnwand gegenüber hängt, ein Alex Katz offenbar. Dann schaut sie auf die Personen im Raum, die an den Wänden zwischen den gezeigten Arbeiten stehen, diese betrachten, Bemerktes benennen und die der Künstlerin der beiden anderen gezeigten Porträt-Bilder, Vroni Schwegler, Fragen stellen. Dann wendet sich das Gespräch dem Porträt von Alex Katz zu; es geht um die Frage, wie dessen Ausdruck zu deuten sei. Es ist ruhig, fast still – ganz anders, als der übliche Trubel bei einer Ausstellungseröffnung.
An den beiden Seitenwänden hängt jeweils ein Zweipersonen-Stück von Vroni Schwegler, Bilder, die von ihr während ihres Studiums an der Frankfurter Städelschule bei Hermann Nitsch gemalt wurden, ein Jahr bevor sie bei einem von Nitschs großen Orgien-Mysterien-Theatern im östereichischen Prinzendorf die Position am Kreuz einnahm. Die beiden Bilder sind als Porträts zu bezeichnen, insofern sie etwas vom Wesen und der Persönlichkeit der beiden Dargestellten sichtbar machen, mehr aber noch ist der Beziehungsstatus zwischen den beiden repräsentiert. Die beiden Personen, die eine gewisse Ähnlichkeit zueinander aufweisen, stehen bzw. sitzen in einem Innenraum. In dem mit der Aufschrift „In Laetitias Küche Januar 1994“ versehenen Bild steht die nur mit einer Unterhose bekleidete Frau etwas hinter dem bekleideten Mann, in dem „Günter und ich für Berni 13.4.“ beschriftetem Bild sitzt die unbekleidete Frau auf dem Oberbein des mit einem weißen Hemd angetanen, sonst nackten Mannes. Bei aller dargestellten Verbundenheit entsteht dennoch nicht der Eindruck einer innigen Einheit, vielmehr scheint jeder für sich in einer gewissen Vereinsamung zu verbleiben. Geht es malerisch um das Verhältnis der beiden Figuren auf der Bildfläche, so inhaltlich um das Austarieren eines Verhältnisses, um das Problem eigener Verortung in Bezug auf den anderen und für sich selbst. Ist die männliche Figur von einer gewissen Statuarik und Gesetztheit, so die weibliche von einer eher fordernden Natur, darin aber ortloser. Die Bilder erzählen keine Geschichte, sondern offenbaren einen Zustand, bilden eine Art Bloßstellung oder Offenlegung. Geht es um das Verhältnis von Körpern in Raum und Fläche, so kann von einem Stilleben gesprochen werden.
Der private Charakter der Bilder ist durchgehalten bis in die einzelne Farbsetzung hinein. Es geht um subjektive Sensibilität und Sensibilisierung. Heute könne sie nicht mehr so naiv und unbefangen malen, sagt die Künstlerin an diesem Abend, seit langem selbst einmal wieder mit diesen frühen Arbeiten konfrontiert, und ein Bedauern schwingt mit. Die Bilder sind aus dem Kopf gemalt. Die dargestellten Personen haben in der Malereiauffassung letztlich keinen anderen Status als die sonst im Bild befindlichen Dinge, die den Schauplatz oder Accessoires bilden und das Austarieren der Beziehung mitbestimmen oder kommentieren. Der Betrachter mag eine Neigung verspüren, sich das Dargestellte als reale Situation vorzustellen und zu verlebendigen, als könne er dadurch der Sache habhaft werden. Es ist ein Spiel subjektiver Selbstbestimmung, das in sich selbst offen ist.
Ganz verschieden von diesen Zweipersonen-Porträts steht der Siebdruck von Alex Katz da. Bei Alex Katz geht es um die Isolation und Zusammenstellung einzelner farbiger Flächen, deren Bedeutung sich an der jeweiligen Silhouette ermißt und deren Sinn im Leuchten der Farbe selbst besteht, als läge Licht (oder auch Schatten) auf dieser selbst. Der Blick des Porträtierten, es handelt sich um ein Selbstporträt, das unter dem Titel „Sweatshirt 2“ dem Mappenwerk „Alex und Ada: The 1960´s to the 1990´s“ von 1990 zugehört, dieser Blick konstituiert die Beziehung zum Betrachter. Darüber hinaus hält er gewissermaßen die Flächen, den Gesamtzusammenhang des Bildes fest, denn es ist schwer, sich ihm zu entziehen und einmal von ihm abzusehen. Hier gibt es nichts Privates, sondern hier gilt die reine und klare öffentliche Präsentation und Selbstrepräsentation. Was erfährt man hier vom Inneren, vom Wesen des Dargestellten? Hier herrscht die Oberfläche, und es gibt nichts als die Oberfläche in dem ihr eigenen Ausdruck. „My pictures are in your face.“, hat Alex Katz einmal formuliert.
Der Künstler stellt sein eigenes Bildnis dem Betrachter zur Verfügung, das doch nichts besagt, als ein Sichselbstsein, eine Offenheit, die nichts offenbart. Die Flächen ohne Volumina bilden nicht eigentlich einen Gegenstand, vielleicht ein Symbol dessen. Es gibt keinen Widerstand, keine Widerständigkeit. Das mag als angenehm oder dekorativ empfunden werden, bedeutet zugleich aber eine Form von Herrschaft, nicht zuletzt dadurch, daß das „Porträt“ überlebensgroß ist. Porträt ist in Anführungszeichen gesetzt, insofern mir hier einer gegenübertritt, zu dem ich mich doch nicht in einer wirklichen Beziehung zu befinden spüre. Vielleicht geht es um das Sweatshirt als Zeichen sowie um Physiognomie als Zeichen einer Deutbarkeit? Es geht um die äußerst präzise und in sich gänzlich abstrakte Beziehung von Farbflächen in ihrer jeweiligen Farbigkeit zueinander, die eine eindrucksvolle Wirkung hinterläßt. Das Bild ist in sechsundzwanzig Farben gedruckt. Die Feinheit im einzelnen, die Arbeit am Exakten erzeugt die Frische und Lebendigkeit des Ausdrucks. Vielleicht besteht darin das Wesen des Portätierten? Es bleibt die Gegenüberstellung, die den Betrachter hält.
Das Person-Sein wird von den in dieser von Carolin Kropff veranstalteten Ausstellung der Reihe „ “ im „Abteil“ vor dem Gemeinschaftsatelier der Frankfurter Langestraße 31 gezeigten Werken in gänzlich verschiedener Weise reflektiert: Da geht es zum einen und das klare und definierte Gegenüber-Sein von Betrachter und Bild, und da geht es zum anderen um die Imagination und Realisation des Person-in-Beziehung-Seins. Damit ist ein Feld eröffnet, in dem der Betrachter sich selbst verorten mag, tritt er nicht in das dunkel gehaltene Atelier ein, um sich einem Getränk und anderen Gesprächen zuzuwenden.
(Copyright Angelica Horn, Frankfurt am Main 2017)
Die Philosophin Angelica Horn lebt und arbeitet in Frankurt am Main.
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturamt Frankfurt.