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About Portraiture

ABOUT PORTRAITURE basiert auf der Idee eines Kolloquiums. 

Drei Malerinnen, ein Maler und eine Kunsthistorikerin sind eingeladen, gemeinsam über das Thema Porträt in der Malerei ins Gespräch zu kommen.

Mit:

Felicity Brown (Norwich, GB)

Martin Holzschuh (Frankfurt/M, Germany)

Monika Romstein (Frankfurt/M)

Britta Kadolsky (Frankfurt/M)

Carolin Kropff (Frankfurt/M).

About Portraiture wurde 2022 fortgesetzt.

Das Porträt in der Malerei steht für die Beziehung zwischen der Malerin, dem Betrachter und dem Bild stehen und umgekehrt.

Weit entfernt von jeglicher Individualisierung in den Anfängen hin zu einer realistischen Darstellung der Physiognomie: ein herausforderndes Thema für die Kunst in allen Zeiten.

Das Kolloquium hat sich mehrmals getroffen und über das Thema Porträt gesprochen, philosophiert und diskutiert und erhebt in keinem Moment den Anspruch auf eine vollständige Vorstellung und Analyse des Themas. Es will keine gesicherten und absoluten Antworten zu den allgemeinen Fragen geben. Das Interesse ist vielmehr auf den gegenseitigen künstlerischen Austausch und das Entwickeln der Gedanken beim Sprechen gerichtet. Die ‚künstlerische‘ Interpretation als Methode ist der Schwerpunkt. Intuition und Inspiration im Abgleich mit geschichtlichen Vorbildern, philosophischen und sozialen Konzepten stehen im Zentrum unserer Gespräche.

Die unterschiedlichen Positionen konnten am Samstag, den 30. Oktober 2021 betrachtet und mit uns diskutiert werden. Die Präsentation sollte der Eigenart der einzelnen Arbeiten  Rechnung tragen. Die Auswahl basiert daher nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner und einer heiklen Abwägung zugunsten einer optimierten Ausstellungsfläche, sondern bevorzugt die Eigenständigkeit der einzelnen Positionen in einem eher unbestimmten Raum.

Die Frankfurter Kunsthistorikerin Britta Kadolsky hat einen Text über die Ausstellung geschrieben (siehe unten).

Felicity Brown ist eine britische Künstlerin und Fashion Designerin. Sie studierte Kunst und Textildruck an der Glasgow School of Art und dem Royal College of Art, London.

Mit ihrem Bruder Henry Brown gründete sie ihr eigenes Designer-Label und wurde Teil von NEWGEN und das ermöglichte ihr, Kollektionen in London, Paris und New York zu zeigen. Sie zeigte Arbeiten im Victoria & Albert Museum, London, im Handtaschen- museum in Seoul, und im The Fashion Project in den Bal Harbour Shops, Miami, neben Stücken von Jean Cocteau, Elsa Schiaparelli, Léon Bakst und Hussein Chalaayan. Seit 2015 arbeitet sie mit Carolin Kropff zusammen. 

 

Martin Holzschuh war Meisterschüler von Micheal Krebber an der Städelschule. Er schreibt:

Ich zeichnete auch und nicht selten war eine Zeichnung ein Auslöser, um ein neues Bild zu malen, das durch die Materialität der Farbe transformiert wird. Zusehens verdüsterten sich meine Bilder in dunkle fast abstrakte Flächen. Als dies einen Endpunkt erreichte, begann ich wieder durch Skizzen mich einer figurativen Position anzunähern. Der malerische Dialog mit Felicity, Monika und Carolin ist ein guter Anlass, um diese Neuansätze weiterzuführen.

 

Monika Romstein ist bekannt für ihre Aquarelle, Ölgemälde und Installationen, die vom Großformat bis zum Kleinformat reichen. Ihr Werk ist von einer dunklen, eindringlichen und märchenhaften Bandbreite an Referenzen geprägt und umfasst sowohl Bilder aus der häuslichen Realität als auch Landschaftselemente.

Die Figuren und Räume in den intimen Formaten der Aquarelle handeln von der Weigerung, das Diktat der Evidenz zu akzeptieren, das unseren Realitätsraum ausmacht. So tauchen in den Aquarellen Szenerien auf, die zunächst fremd und entrückt wirken, aber immer wieder auf Aspekte unserer Gegenwart und Vergangenheit verweisen. Sie hat an der Städelschule und dem Duncan of Jordanstone College of Art and Design der University of Dundee, Schottland studiert.

 

Britta Kadolsky ist Kunsthistorikerin (MA) mit Sitz in Frankfurt. Sie studierte Kunstgeschichte und Kunstpädagogik an der Goethe Universität Frankfurt, nachdem sie lange Zeit in einer Großbank gearbeitet hatte. Sie malt und zeichnet auch selbst und nähert sich der Kunst sowohl theoretisch als auch praktisch. Während des Studiums entdeckte sie ihre Liebe zum Schreiben über die Kunst und betreibt seit 2020 ihren eigenen Kunstblog ‚Was kann Kunst‘. Dort schreibt sie am liebsten über die moderne und zeitgenössische Kunst und postet regelmäßig Artikel. Dort findet Ihr auch ihren Blogpost über : 10 Fakten über Portraits.

 

Carolin Kropff hat an der Kunstakademie Düsseldorf (1991-1995) studiert und der Städelschule Frankfurt (1996 -1998) ihr Studium abgeschlossen. Von 1989-1991 arbeitete sie als Kostümbildassistentin und Herrenschneiderin am Theater Dortmund. 

Von 1999 - 2002 unterhielt sie Ateliers in Madrid, Spanien und 2006 - 2011 in Dubai, VAE. 2020 hat sie den STUDIOSPACE Lange Straße 31 in Frankfurt am Main gegründet. 

In ihrer künstlerischen Arbeit untersucht sie die Relevanz kultureller und gemeinschaftlicher Erfindungen wie Archetypen, Mythen und traditionelle handwerkliche Herstellungsmethoden. Ihr Interesse liegt darin, die Gemeinsamkeiten zwischen der Erfindung und Schaffung von Bildern und dem Erzählen von Geschichten zu erforschen und den ihnen innewohnenden Möglichkeiten der Kommunikation, Zusammenarbeit und Zugehörigkeit zueinander und zur Zeit Ausdruck zu verleihen. Zu diesem Zweck bedient sie sich zunehmend der Volkskunst und partizipativer Kunstformen.
 

Ausstellung: About Portraiture

von Britta Kadolsky

Am Samstagabend, den 30.10.2021, fand die One-Night-Exhibition About Portraiture im STUDIOSPACE Lange Strasse 31 statt. Es wurden Positionen von fünf Künstler*innen ausgestellt.

Zusammen haben wir uns fast ein halbes Jahr lang über künstlerische Strategien, die sich mit dem Bildnis des Menschen befassen, ausgetauscht. Über die diversen Treffen, anfangs über Zoom, später dann auch wieder persönlich, entwickelte sich ein lebhafter und kreativer Austausch über das Thema Porträt. Im Dialog kamen unsere sehr individuellen Perspektiven über das Porträt zum Ausdruck: Während sich Caro Kropff und ich für das Genre Porträt begeistern können, steht Monika Romstein dem Sujet eher distanziert gegenüber. Martin Holzschuh hat sich anlässlich der Debatten mit dem Thema Porträt nach längerer Zeit wieder angenähert, während Felicity Brown Gouachen auf Papier von schamanenhaften Figuren zeichnete. Die Bilder wurden anlässlich der Ausstellung nach Deutschland geschickt, konnten jedoch nicht gezeigt werden, da sie im Zoll hängen geblieben sind.

 

Zu jeder Ausstellung gehört für den Kurator die intensive Auseinandersetzung mit Sujet, Künstler*innen und der daraus abzuleitenden - möglichst optimalen - Präsentation – bei gleichzeitig immer suboptimalen, von Raum, Zeit und Organisation geprägten Ausstellungsräumlichkeiten. Gemeinsam diskutierten wir im Vorfeld der Ausstellung, auch über die Hängung der einzelnen Bilder. In einem kreativen Prozess entstanden die Ideen, die schließlich das Setting für die Ausstellung festgelegt haben und den Werken dabei sehr gerecht wurde. Der kleine, aber feine Vorraum, der eine White Cube Anmutung hat, trug auch die Fülle von Werken: Große Leinwände mit farbintensiver Malerei hingen neben kleinen skizzenhaften Zeichnungen, eine Kaltnadel-Radierung neben einer zarten Malerei auf Holz und dazwischen fanden sich farbige Zeichnungen. Durch die Erweiterung auf die kleine Küchennische hinter dem Ausstellungsraum, vermittelte die intime Atmosphäre im STUDIOSPACE Lange Strasse 31 ein geradezu häusliches Ambiente. Dazu trug auch die Erweiterung auf den Atelierraum bei. Dort waren weitere Werke bei einem Glas Wein zu sehen: insgesamt ein lässiges Gesamtsetting.

 

Das von Carolin Kropff gemalte, Dreiviertelporträt stellt Felicity Brown dar und begrüßt die Besucher*innen beim Eintreten in den Ausstellungsraum an der rechten Wand. Die Frau im Bild nimmt direkt Blickkontakt auf. Der Blick ist offen und interessiert, im leicht nach rechts gedrehtem Kopf. Die Malerei des Inkarnats im Gesicht besteht aus vielen unterschiedlichen Tönen: Die Farbpalette vereint Rosa- und Beigetöne mit grünlichen Brauntönen sowie mit Grau und Weiß. Insbesondere auf ihrer rechten Gesichtshälfte betonen aneinandergesetzte Pinselstriche die Rundungen der Gesichtsform und erinnern an van Gogh. Auf die braun gelockte Haarmähne fällt, vom oberen Bildrand, ein strahlendes Licht. Der Körper steckt in einem blauen Anzug, der vielleicht eine Reminiszenz an die absolvierte Herrenschneiderlehre darstellt.

Mysteriös erscheint auf der rechten Bildhälfte ein grüner Kopf in Frontalansicht, der auf einem Malgrund an die Wand angebracht worden zu sein scheint: Ein Bild im Bild. Rechts davon sind Strähnen einer gelockten Haarpracht sichtbar, die jedoch nicht unmittelbar am Bild ansetzen. Sie gehören zu einem angedeuteten Frauenkörper, der in einem roten, ärmellosen Kleid steckt. Der linke, unbekleidete Arm weist dieselbe grüne Inkarnats-Farbe auf wie der Kopf. Die nur angedeutete grüne Hand reicht nach vorne zur, in die Jackettasche gesteckten Hand der Frau im blauen Anzug, berührt diese jedoch nicht. Trotzdem eine berührende Geste, die anregt Hintergründe über das Zusammentreffen der beiden Personen zu ersinnen. Vor dem lebendig gemalten, hellen Hintergrund setzt die Farbkombination von Blau, Rot und Grün einen schönen Kontrast.

Carolin Kropff, die nach ihrem Kunststudium für drei Jahre in Madrid wohnte, ging fast täglich in den Prado, um die Bilder von Tizian zu studieren. Mit den Ausführungen des Kunsthistorikers Theodor Hetzer (1890 – 1946) über die Farbe in den Bildern des Renaissancekünstlers, kam sie zu eigenen Anschauungen über ihre persönliche Malerei und ihren Umgang mit Farbe. In Anlehnung an altmeisterliche Maltechniken mischt sie eigene Malmittel, die sie mehrschichtig aufträgt.

 

An der linken Wand gegenüber steht die gemeinsame großformatige Malerei von Carolin Kropff und der britischen Künstlerin Felicity Brown. Eine irritierende Figur mit einem mehrfarbigen Umhang dominiert das Bild. Das Gesicht ist nur sehr vage unter der Kapuze des Capes angedeutet. Dunkel gemalte Flächen werden als Augen, Nase und Mund gedeutet, gleichzeitig erscheint die unheimliche Gestalt möglicherweise keinen Menschen darzustellen. Eine überproportional große Hand liegt auf dem Knie, der vermutlich sitzenden Figur. Die Freude am Experimentieren mit Farbe ist auch auf diesem Bild deutlich zu erkennen.

Diese Gemeinschaftsarbeit entstand bei der ersten Being Eve Journey der beiden Künstlerinnen durch New Mexico 2017 und ist Teil einer umfassenden und noch nicht abgeschlossene Werkreihe. Die Auseinandersetzung mit Textil, Fashion und Malerei mündete auf der Reise mit selbstentworfenen Umhängen und Kleidern in einer Art Porträtarbeit. Am Ende der Reise malten die Beiden gemeinsam das Bild. Das Textil und die Figur verschmelzen miteinander, wobei sich die Gestalt aufzulösen scheint.

Von beiden signiert, ist jedoch nicht auszumachen, wer welche Pinselstriche auf die Leinwand gesetzt hat. Die Malerei wirkt homogen ‚aus einem Guss‘.

Die gesamte Komposition ist atmosphärisch sehr verdichtet. Als Betrachter*in ist man sich unsicher, ob es sich um eine abgebildete Realität oder um Phänomene von gespenstischen Gedanken handelt. Die Arbeit gibt das ihr innewohnende Geheimnis nicht preis und kann sowohl beängstigen als auch inspirieren.

 

Die Arbeiten von Martin Holzschuh setzten sich mit der Erinnerung auseinander.

Er erzählt, dass er zuweilen Anfragen für Porträtarbeiten bekam, die er nicht immer ausführen wollte. Eine ihm bekannte Stewardess jedoch wollte er sehr gerne malen: Er skizzierte sie im Atelier und malte später zuerst nach den Skizzen, zunehmend jedoch aus der Erinnerung. Die Erinnerung ist immer auch bruchstückhaft und subjektiv. So gelangen Vorstellungen des Malers in das Bild der Porträtierten.

Die dunkle Farbpalette, für die Martin Holzschuhs Malerei bekannt ist, ist in beiden Bildern zu erkennen.

Das schlanke querfomatige Gemälde über den beiden Türen am Ende des Raumes zeigt eine sitzende Figur mit ausgestreckten, ungelenk übereinandergeschlagenen Beinen. Der überproportional große Kopf zieht den Blick auf sich und verstört zugleich. Das laute Rot, das sowohl Mund als auch Augen markieren, wiederholt sich in Flecken über den Körper hinweg und lässt die Person verletzlich aussehen, ohne dass die roten Spuren jedoch an Verletzungen erinnern. Das satte Braun im Hintergrund verstärkt die düstere Stimmung.  An den Füßen findet sich das Rot in Form von Pumps wieder – ein Hinweis auf einen schicken und weiblichen Kleidungsstil. Die linke Hand ist zum Anlehnen hinter den Kopf gehoben - die Figur scheint sich auf einem Diwan bequem auszustrecken. Die dargestellte Frau kann nicht eindeutig mit einer Stewardess in Verbindung gebracht werden, die Geschichte von Martin Holzschuh ergänzt die Erzählung der Werke jedoch hervorragend.

In der zweiten Arbeit des Frankfurter Künstlers wird seine Frauenfigur durch ein dunkles Farbspektrum aus Grün, Blau, Lila und Schwarzbraun eingefangen. Der gewaltige Kopf auf einem Körper mit übergeschlagenen Beinen und der erhobenen linken Hand erinnert an seine andere Arbeit. Der Körper erscheint wie eingesperrt auf der, diesmal kleineren, Leinwand. Der Kopf ist mit rotem Inkarnat und roten Haaren dargestellt. Auffällig an diesem Bild ist der aus grobem Sackleinen bestehende Malgrund. Mit expressionistischen und vorsätzlich grob gemalten Pinselstrichen ist ein Farbauftrag entstanden, der die raue Struktur durchscheinen lässt. Das verleiht der Malerei, als Gegensatz zu den starken Farben, eine Form der Durchlässigkeit.

Holzschuh hat seine Figuren flächig konstruiert und stellt keine Details dar. Die Farben scheinen die Formen zu entwerfen, die sich einer Wirklichkeit annähern, ohne eine erkennbare individuelle Realität darzustellen. Als Betrachter*in ist man aufgefordert, die Person zu konkretisieren. Seine Malerei erinnert an das Bad Painting der sogenannten Jungen Wilden der 1980er Jahre von Martin Kippenberger, Albert Oehlen und Rainer Fetting. Die farbintensiven Kompositionen wirken heute nicht mehr so provokant wie es damals der Fall gewesen wäre, sondern offenbaren Emotionalität.

 

Die Kaltnadel-Radierung, die als längliches Blatt an der rechten Wand gegenüber hängt, scheint die Figuration aufzunehmen. Allerdings sind zwei Köpfe auszumachen. Der Körper verschwindet fast hinter einem abstrakten Gewirr aus Linien. Die Graphik zeigt einen ebenso expressionistischen Ausdruck wie seine Malerei und stellt eine stimmige Ergänzung dar.
Darüber hinaus zeigt er eine kleine gerahmte Arbeit mit einem dunklen Kopf im Profil, die ebenfalls eine Kaltnadel-Radierung ist.

Daran anschließend, an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand, findet sich eine Aquarellmalerei auf Papier von Monika Romstein. Eine Frau mit langen dunklen Haaren kniet, um ein auf dem Boden liegendes Papier zu bemalen. Eine blonde Figur in Jeans steht rechts daneben und betrachtet die Situation. Die Malerei wirkt skizzenhaft, doch der so entstehende fragile Eindruck ist es, der zum genaueren Hinschauen auffordert. Schnelle Pinselstriche stellen die Szenerie dar, ohne, dass erkennbar wäre, was auf dem Boden entsteht.

Das Bild entstand als Reflexion auf Fotos von Andy Warhol in seinem Atelier. Handelt es sich um eine Anspielung an das Maler*innen-Genie, dass bewundert wird? Ist die malende Person mit den langen Haaren die Künstlerin selbst? Eine Frage die unbeantwortet bleibt. Monika Romstein paraphrasiert in ihren Arbeiten immer wieder Ikonen der Kunstgeschichte. Bei diesen Bezügen ist ein Augenzwinkern enthalten, da die Künstlerin das Narrativ des Maler-Genies hinterfragt.

 

Ihre malerische Arbeit auf Holz changiert zwischen abstrakt und figürlich. Farblich ist die freie Malerei auf fast schwarzem Grund in hellen Tönen gehalten. Sie wirkt stark und zart zugleich. Bei genauerer Betrachtung ist das Gesicht einer Frau zu erkennen. Wie Flammen, die den Kopf in Brand gesetzt zu haben scheinen, lodern expressive Pinselstriche in Gelb mit einem Hauch Orange nach oben. Das Gesicht ist darunter versteckt. Je nach Betrachterposition erscheint oder verschwindet das Porträt.

 

Ganz anders wirkt die leichte Zeichnung auf einem braunen DIN-A4-Umschlag. Als Absender ist an der oberen Ecke der Text Ville de Marseille mit dem Stadtwappen aufgedruckt, was zur Betonung des Skizzenhaften dieser Zeichnung beiträgt. Die beiden gelben Vögel auf angedeuteten Ästen geben der Skizze eine fröhliche Anmutung. Der Umschlag wurde um 90 Grad gedreht, um die vier Personen zu skizzieren die im Halbporträt nebeneinander dargestellt sind. Sie scheinen auf einer Bank zu sitzen und sind rege ins Gespräch vertieft. Offenbar in guter Stimmung, vermitteln die Figuren eine innige Zusammengehörigkeit. Die offene Zeichenweise ist flüchtig und gleichzeitig reizvoll. Die Positionierung der Zeichnung hoch oben über der Eingangstür vor einem Fenster, wurde von der Künstlerin selbst ausgesucht, und verhindert eine genauere Betrachtung aus der Nähe. Der Blick von unten muss genügen.

 

Die Porträtkompositionen von Britta Kadolsky entstanden aus Eintrittskarten für Kunstmuseen und ergänzenden Zeichnungen. Fragmente der Tickets, oft mit Porträts aus den jeweiligen Ausstellungen und Text-Segmenten, erweitern die Collage mit eigenen Porträts und eigenem Text. Die spezifische Zusammenstellung entwickelte sich im Laufe des Werkprozesses: Nach der Auswahl des Tickets und ihrer Positionierung auf dem Karton komplettiert die, im Stil angepasste, Zeichnung die Komposition. Auch die Vervollständigung durch Text ergibt sich während des Prozesses.

Die farbige Arbeit an der Küchenwand zeigt eine Collage aus Eintrittskarten für eine Tizian-Ausstellung des Städel, Ticket-Fragmenten einer Rehberger Arbeit für die Ausstellung Home and Away and Outside und einem Ticketteil der Daniel Richter-Ausstellung, beide aus der Schirn. Ergänzt wird die Zusammenstellung durch ein Selbstporträt mit Filzstift. Das Brustbild zeigt auf der linken Seite das blaue Kleid einer Belle Donne von Sebastiano del Piombo mit Dekolleté und Kette, das auf der rechten Seite zeichnerisch ergänzt wurde.

 

Auf der kleinen Arbeit links der Eingangstür, zeigen Philip Gustons rote Finger vom oberen Bildrand nach unten. Fragmente des Textes wurden zu Pau me gusta verkürzt und ergänzt.  Die Finger zeigen auf Text-Schnipsel der Ausstellung Medeas Liebe im Liebighaus. Das zentral im Bild gezeichnete Porträt im Halb-Profil ist aquarelliert. Erweitert wird die Komposition durch eine Eintrittskarte des Museums Caricatura-Museums mit der prägnanten Silhouette des Elches (neue Frankfurter Schule: ‚Die schärfsten Kritiker der Elche, waren früher selber welche‘).

In diesen Zusammenstellungen vereine ich meine Hingabe zur Kunst, meine inbrünstige Lust auf Museums-Ausstellungen, meine Leidenschaft für das Genre Porträt und meine Liebe zur Familie. Es entstanden, Corona-bedingt zu Hause, mehrere kleine Tableaus, die die Grundlage und Vorlage für großformatige Bilder in Acryl sind. Auch wenn die Bilder nicht immer durch Porträtzeichnungen von mir ergänzt sind, handelt es sich bei den Kompositionen dennoch immer um Selbstporträts.

 

Das kleine Aquarell eines rothaarigen Frauenkopfes im Profil erreicht seine Besonderheit durch zusätzlich aufgenähte Linien in Rot. Sie betonen gewisse Partien des Porträts und vereinigen sich mit der zarten Malerei. Die Enden der Fäden hängen einige Zentimeter vom Papier herab. Die Kombination von Malerei mit dem Pinsel und Zeichnung mit dem Faden entstand durch die von Carolin Kropff angeregte Auseinandersetzung mit textiler Kunst.

 

Alle Künstler*innen sind mit weiteren Arbeiten im Atelier vertreten. Dort befindet sich eine weitere gemeinsame großformatige Malerei von Carolin Kropff und Felicity Brown: Being Adam, die ebenfalls auf der gemeinsamen Being Eve Journey entstand. Sie zeigt eine grünliche Figur, die mit einem Umhang bekleidet zu sein scheint. Die Arbeit weist ebenfalls auf die künstlerischen, textilen Werke der beiden hin. Das Bild ist (noch) nicht signiert. Zwei korrespondierende Monotypien – eine von Carolin Kropff und eine von Felicity Brown - befinden sich an der großen, mit einem hellen Stoff bezogenen, Rückwand des Ateliers. Dort hängen auch die am Anfang bereits erwähnten Selbstporträts von Martin Holzschuh. Die in Braun gehaltenen Kaltnadel-Radierungen zeigen ein ernstes Gesicht, dass die bedruckte Fläche ausfüllt.

Das malerische Rainbow Dress von Felicity Brown schmückt eine Schneiderpuppe und stellt ein Selbstporträt der britischen Künstlerin dar. Das Foto an der der Wand dahinter zeigt sie mit dem Kleid. In der Mitte des Ateliers hängt eine bemalte Leinwand von Monika Romstein an einem Nylonfaden von der Decke - hinter zarten Ästen erscheint ein Gesicht.

Neben Zeichnungen von Carolin Kropff, sind auch weitere Collagen und übernähte Porträts von Britta Kadolsky an den Wänden zu sehen.

 

Das Projekt ABOUT PORTRAITURE wird fortgesetzt. Wir wollen uns weiterhin treffen, um über die vielen, bisher noch nicht reflektierten Aspekte des Themas zu sprechen. So ergab sich beispielsweise ein Gespräch über offene Münder in der Porträtmalerei: Es gibt sie kaum in der Kunst. Sobald man selbst versucht einen geöffneten Mund mit hervorblitzenden Zähnen zu malen, merkt man warum. Es stellt sich fast immer ein fratzenhaft-verzogener Mund dar, der an ein Clownsgesicht oder eine Karikatur erinnert. Warum das so ist, können wir bei den nächsten Treffen überlegen. Auch das gegenseitige Porträtieren – ein geplantes Vorhaben, dessen Realisierung noch aussteht – wollen wir nochmal angehen. Das Thema Selbstporträt wollen wir ebenfalls stärker in den Fokus rücken. Inzwischen sind auch die Bilder von Felicity Brown aus dem Zoll angekommen und könnten in der nächsten Ausstellung gezeigt werden.

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