Susan Donath & Vroni Schwegler
Ausstellung:
Samstag, den 10. 04. 2021 von 19 – 21 Uhr
Text: Sonja Müller
Fisch, Tod und Blume
Mit Susan Donath und Vroni Schwegler sind zwei Künstlerinnen eingeladen im Rahmen der Ausstellungsreihe „“ in Dialog zu treten, die eine jahrelange Auseinandersetzung mit dem Thema Tod verbindet.
Susan Donath arbeitet auf einer konzeptuellen forschenden Ebene, während Vroni Schwegler in ihren Werken einen direkten Zugriff auf das Thema unternimmt. Donaths Untersuchungen münden in stringenten bildhauerischen Arbeiten, Schweglers in sinnlicher Malerei.
Susan Donaths künstlerisches Interesse besteht in der Auseinandersetzung mit Sepulkralkultur (Toten- und Sterbekultur), die auf unterschiedliche Weise in ihre Arbeit einfließt: ein Schneewittchen in einem geschlossenen Sarg, verbrannte Stasi-Akten in einer Urne oder echte Tote in einer Grabanlage auf dem Friedhof Střekov in Ústí nad Labem, den sie seit 2008 dauerhaft pflegt.
Susan Donath hat an der Hochschule für Bildende Künste Dresden studiert und war Meisterschülerin von Christian Sery. Sie lebt und arbeitet in Dresden und Usti nad Labem, Tschechien.
Vroni Schwegler widmet sich in ihrer künstlerischen Arbeit seit vielen Jahren dem Thema Tod. Die Motive ihrer Malerei, Zeichnung und Druckgrafik sind Fische, Hühner und Hasen, die für den Verzehr geschlachtet wurden, Unfallopfer, wie Vögel, die beim Aufprall gegen Glasfassaden sterben und Fliegen, Hummeln und Wespen, die sie auf der Fensterbank aufließt. Seit März 2020 malt sie Blumen, die sie hier erstmals in Frankfurt zeigen möchte.
Vroni Schwegler hat an der Städelschule Frankfurt studiert und war Meisterschülerin von Hermann Nitsch. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.
Der Goldhase und die Wildbretform der Fische
Ein Protokoll
Sonja Müller
Die Ausstellung trägt den Titel Fisch, Tod und Blume.
Susan Donath hat sich mit Fischen beschäftigt – 1500 Wachsfische. Ein Schwarm. Orange bis tief Magenta. Der Wachs, eingeschmolzen, gefärbt – was passiert, wenn man ein Stück Wachsmalkreide in das geschmolzene Wachs gibt? Die Fische in weißen Bottichen, Bauch nach oben, im Wasser schwebend. Oder auch ohne Wasser präsentiert. Eigentlich ist das härter, sagt Susan, wie tote Fische, die jemand stehen gelassen hat. Die Fische haben ein Auge. Nur eins. Ein Sinnesorgan. Die Fische sind hochpoliert, glänzend, bunt und erinnern mich an Marzipanfische.
Auch Vroni Schwegler interessiert sich für Fische. Sie malt Fische. Sie malt tote Tiere.
Zwei Positionen, die sich mit dem Thema Tod beschäftigen. Zwei künstlerische Positionen, die sich gegenüber stehen im Rahmen der Ausstellungsreihe „“ im STUDIOSPACE Lange Straße 31. Die Situation ist absurd. Eine Ausstellung, die keiner besuchen kann. Die nur wir und die Künstlerinnen sehen. Die wir fotografieren, filmen, posten, konservieren für die Ewigkeit. Während wir hier im Raum dem vergänglichen Aspekt gegenüber stehen.
Für Susan war die Beschäftigung mit dem Tod schon immer normal. Tod und Vergänglichkeit, leben und sterben. Ein unbelasteter, unverkrampfter Zugang. Grabstein und Friedhöfe, Rituale und Schmuckformen, die den Tod begleiten und schmücken.
Für Vroni Schwegler ist alles lebendig was der Vergänglichkeit unterworfen ist. Mit dem malen und zeichnen betone ich die Lebendigkeit, sagt Vroni.
Zeit für ein Glas Wein. Kuchen steht auf dem Tisch. Susan spricht die morbide Komponente in Vronis Arbeiten an. Zum Schluss kommen wir zu Kruzifixen, Mysterienspielen, religiösen Symbolen und unserer Herkunft und dem Einfluss, die sie für uns hat.
MACHEN
Am kommenden Tag treffen wir uns zum Werkstattgespräch. Es geht um das MACHEN von etwas, was mit Textil zu tun hat, um Handarbeit, die eher als eine Frauendomäne angesehen wird und um die Idee des gemeinsamen Tuns. Und darum, über das MACHEN miteinander ins Gespräch zu kommen. Ob das virtuell realisierbar ist?
Ein erlegter Goldhase, welke Blumen und ein Kamerablick auf zwei Menschen – mal von oben auf die Hände und mal von vorne – das ist es, war es, was unsere virtuellen Gäste sehen.
Susan Donath erlernt handwerkliche Tätigkeiten oder Handarbeitstechniken aus Interesse, sie möchte wissen, wie sie funktionieren. Nicht unbedingt müssen sie in ihre künstlerische Arbeit einfließen, schon gar nicht eins zu eins. Die Totenkrone hat es ihr besonders angetan. Totenkronen, so lernen wir, wurden ursprünglich für Ledigenbegräbnisse angefertigt, wie eine Art Brautkranz für diejenigen, denen ein Hochzeitsfest verwehrt geblieben ist. Später hat man sie auch als Andenken an die Verstorbenen gemacht. Wobei das (gemeinschaftliche) MACHEN auch eine Form war Zeit zusammen zu verbringen, eine Form gemeinsamer Trauerbewältigung.
Das MACHEN braucht Zeit. Zeit für den Herstellungsprozess. Diese Zeit ist ein Gewinn. Es ist Zeit, die man miteinander verbringt. Mit dem Draht, mit den eigenen Händen, mit der Idee im Kopf, mit dem goldenen Schimmer des Stanniolpapiers.
Goldblüten in Draht.
MACHEN als eine Form der geteilten Zeit.
Unser Maskottchen: Der Lindt Osterhase. Eine Hommage an Vronis Arbeit.
Auch Vroni Schwegler interessiert sich für Fische. Sie malt Fische. Sie malt tote Tiere. Sie malt auch Hasen.
Susan fertigt aus Draht und dem goldenen Papier des Lindt Osterhasen Miniblüten. Vroni transportiert die Technik mit dem Goldhasenpapier auf ihre Thematik – und formt mit der dünnen, goldfarbenen Folie ihren kleinen Finger ab. Eine Art Reliquie.
Auch Vroni Schwegler interessiert sich für Fische. Sie malt Fische. Sie malt tote Tiere. Sie malt auch Hasen.
Und Blumen.
Warum Blumen? Vroni sucht das, was vor ihrer Haustür ist. Sie möchte die Blumen kennenlernen und die Bekanntschaft vertiefen über das zeichnen und malen. Der Impuls jedoch, der sie zum MACHEN zwingt, ist die Vergänglichkeit.
Die Wegwarte ist eine Blume. Susan hat sie in Draht und kleinen blauen Perlen nachgeformt.
Wenn man Zaubertrank herstellen will, braucht man weiße Wegwarte.
Die blaue Wegwarte wird in der gleißenden Sonne weiß.
Wie sind die Künstlerinnen zum Fisch gekommen? Zum toten Fisch?
Susan interessiert sich für die tote Eigenschaft eines Fisches: Er treibt an der Oberfläche. So entstanden die Wachsfische.
Auch Vroni Schwegler interessiert sich für Fische. Sie malt Fische. Sie malt tote Tiere. Sie malt auch Hasen.
Und Blumen. In Serien.
Objekte ähnlichen Typs vereinfachen und dann daraus etwas Neues zu MACHEN verbindet beide Künstlerinnen. Das Vervielfachen geschieht bei Vroni durch die schwarmartige Hängung der kleinen Bildtafeln. Es geht auch um den Bezug, den die einzelnen Täfelchen zueinander haben, auch um Bewegungsmotive, auch im Bild. Und im Schwarm.
Fische in Wildbretform können nicht ausbrechen in ihrer Uniformiertheit und Masse. Doch wenn sie an der Oberfläche des Wassers treiben tritt die Bewegung in den Vordergrund.
Der Goldhase und die Wildbretform der Fische.
Vroni zeichnet.
Für Vroni ist das Arbeiten in Gemeinschaft nicht unbedingt eine Situation, die sie aktiv sucht. Sie braucht eher den Rückzug und das Selbstgespräch. Nicht verbal. Mit Stift und Papier in Kontakt treten. Und dem Hasen, dem Fisch, dem Ast. Es ist eine angenehme Form des Zuhörens, wenn die Hand beschäftigt ist. Findest du das Zeichnen eine Form des Denkens ist? Ja. Eine Analyse. Ein analoges Denken.
Das Dreidimensionale. Die Umsetzung der Äste in die zweidimensionale Zeichnung auf dem Blatt. Sich selbst folgen, sich angucken, welche Strategie man nutzt. Die künstlerische Arbeit ist eine Form, um mit der Welt in Kontakt zu treten.
Malerin und Bildhauerin – es sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen, die sich gegenüber stehen. Ist die Malerei intuitiver? Die Umsetzung direkter? Ein Werk in einem Stück auszuführen, ist für Bildhauerin Susan undenkbar. Prozesse und Material sind anders ausgerichtet und geplant. Die künstlerische Arbeit beginnt mit der Materialsuche, mit dem Ausprobieren und dem Experimentieren.
Vroni hat vorab kein Bild im Kopf. Sie sucht ein Motiv, mit dem sie in Resonanz treten kann in einem sehr stabilen Versuchsmodus.
Wenn ich kleine Goldblüten winde und diese Artefakte vor mir liegen habe, stelle ich eine Dopplung her, die eine eigene Realität und Vergänglichkeit hat. Was tue ich da: Transformiere ich, schaffe ich neu, verforme oder übersetze ich, dokumentiere ich...? Fragt eine Teilnehmerin.
Welche Rolle spielt das Experiment?
Das Papier des Goldhasen, welches das Krepppapier ersetzt.
Darüber nachzudenken ein Buch zu schließen, sodass es nicht mehr benutzbar ist.
Welche Rolle spielt Erfahrung?
Die Unerfahrenen sind zu beneiden, weil sie in alle Richtungen offen sind.
Narben und Spuren.
Zufälligkeit.
Manchmal sind die kleinen Sachen, die nicht so perfekt sind, in ihrer Gänze viel schöner.
Der Ast und der Draht. Die Faszination und die Bewunderung für die zarten Knospen des kleinen Ästchens. Das nachbilden mit Draht. Warum? Um der Form auf die Spur zu kommen. Ein Sich-heran-tasten. Mit Gold umwickelt.
Das Forschen, das Interesse, die Neugier.
Welche Rolle spielt die Herkunft?
Susan sieht in Vroni Süddeutschland: Würde, Ehre, Religion, Tiere. Susan kommt aus Dresden. Hat eine andere Offenheit. Eine andere Herkunft oder persönliche Tradition.
Man kann nicht einfach aus einer Tradition aussteigen. Man schaut sie sich besser an.
Wenn man Zaubertrank herstellen will, braucht man weiße Wegwarte.
Die blaue Wegwarte wird in der gleißenden Sonne weiß.
Für mich ist das MACHEN – in Gemeinschaft – einem Universum gleich. Die Frage nach der Hand-Kopf-Koordination, das Denken mit den Händen, wenn Material und Handlung anfangen, Strukturen zu schaffen, die sich verselbständigen... und während wir das Tun, MACHEN wir uns Gedanken oder sind unaufmerksam oder erlauben dem Tun, uns in einen Flow zu entlassen. Wir denken über die inhaltlichen Bezüge nach und dergleichen oder eben auch nicht. Ich denke an Kleist: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden. Das MACHEN in Gemeinschaft eröffnet dynamische Räume, die ich alleine nicht finden kann. Oder schwieriger. Oder anders. (Carolin Kropff)
Text: Sonja Müller
Bilder: © Alexander Schütz
Information zu MACHEN am nächsten Tag finden Sie hier.
Die Ausstellung wurde freundlicherweise vom Kulturamt Frankfurt und Frauenreferat Frankfurt unterstützt.