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The Power Of Quilting

Aktualisiert: 14. Dez. 2023



The Power of Quilting fand im Rahmen der Projektwoche an der Helmholzschule und auf Einladung der Heussenstamm Stiftung im Juli 2023 in Frankfurt statt. Zusammen mit zwölf Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klasse und mit der großartigen Unterstützung der Kunstlehrerin Frau Baumung, haben sie sich mit den selten genutzten Möglichkeiten vertraut gemacht, die textile Handwerksmethoden aus aller Welt bieten. Insbesondere ging es um die gestalterischen und künstlerischen Qualitäten von Patchwork und Quilten.


Es liegt mir am Herzen, dieses unterrepräsentierte Wissen weiterzugeben. Durch das Erlernen überlieferter Handwerksmethoden können wir an den unzähligen Erfahrungen vieler Hände im Umgang mit Fasern und Textilien eintauchen. Für mich sind sie wie eine Schatztruhe kollektiven Wissens, das bis zu unseren Anfängen zurückreicht. Frauen sind die Protagonistinnen dieser kaum erzählten Geschichte.




Ich begann mit dem Vorstellen der fantastischen Quilts von Gee's Bend, den Frauen, die sie nähen, und

der unglaublichen Rosie Lee Tompkins mit ihren improvisierten Quilts. Wie werden sie hergestellt, was zeichnet sie aus, und was kann ich mit Nadel und Faden und den gebrauchten Stoffen machen, die sich auf dem Tisch türmten? Wir verzichteten auf Nähmaschinen und nähten ausschließlich von Hand. Es ist ein intimer, langsamer und kreativer Prozess.

Erst nähten die Schülerinnen und Schüler einen Nähring aus Leder und lernten, wie der Quilters Knoten gemacht wird. Dann schnitten sie je vier kleine Rechtecke zu, die in genauer Abfolge aneinander genäht wurden. So entstand ein skulpturale Form, ein Jonglierball, der den Mädchen und Jungen auch als Nadelkissen diente. Das nahm den ersten Tag in Anspruch. Bis Donnerstag wurden zwölf individuelle Patchworkblöcke genäht, die an einer selbstgemachten Kordel präsentierten wurden. Die entspannte Konzentration im Raum war stets spürbar, die Ergebnisse für den geschulten Blick erstaunlich. Einige Blöcke wurden mit figurativen Applikationen versehen, andere nutzten abstrakte Reverse-Appliqué und Stickerei. Andere integrierten transparente Stoffe wie Spitze, aber auch Samt, Polyester und vorhandene Stoffmuster. Eine Schülerin überfärbte die Stoffe und machte sie sich so zu eigen. Eine andere übersäte ihren Block mit zahllosen monochromen Stichen und legte den Schwerpunkt auf das Quilten selbst.












Die Materialität der Stoffe macht Textilkunst zu einer besonderen Kunstform, die sich an der Schnittstelle von Malerei, Skulptur und Handwerk bewegt. Wie immer beim Bildermachen spielte Farbe eine große Rolle, ebenso wie Komposition.

Das Material steht auch im kulturgeschichtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Kontext. Ich möchte gern mehr dazu schreiben.


Das Herstellen von Textilien gehört zu den ersten Erfindungen der Menschheit.

Warum aber ist es üblich, die textile Handarbeit zu belächeln und die Arbeit der Menschen in den Baumwollplantagen, den Webereien und an der Nähmaschine kaum zu entlohnen? Warum spielt Textilkunst erst seit wenigen Jahren im westlichen, zeitgenössischen Kunstverständnis eine Rolle?

Stoffe halten sich nicht ewig und wurden dementsprechend selten überliefert. Mit den ersten Kordeln konnten Netze zum Fischen geknotet, Dinge transportiert und Pfeile zusammengebunden werden. Es war eine bahnbrechende Entdeckung. Das älteste überlieferte Kleidungsstück ist ein Fransenrock. Er wärmte nicht, noch bedeckte er die Scham. Es ist ein bedeutsames Stück und spricht davon, dass Textilien immer auch von symbolischer Natur sind. In der Schule lernen wir nichts über die textilen Funde und ihre Bedeutung.

Andere Gründe, warum wir wenig darüber wissen, sind ökonomischer und politischer Natur. Diese Gründe bergen Gewalt und Ausbeutung von Natur und Mensch.Textilien sind es, in und mit denen wir leben. Es ist ein riesiger Markt. Kriege wurden geführt, um Zugriff auf Alaun zu sichern, das zum Färben verwendet wird. Rote Seide war so teuer wie Gold, und wer sie als einfacher Mensch besaß, wurde mit dem Tod bestraft. Mit den Gilden begann ein Prozess, bei dem die in den Häusern gemachten Textilien abgewertet wurde und damit die Arbeit der Frauen allgemein. Es wurde als wichtig erachtet, dass die Menschen, die Textilien herstellen, möglichst wenig von den Gewinnen erhalten, die mit Textilien in Massen verdient wurden. Schließlich wurden die Frauen selbst entmündigt und verloren alle Möglichkeiten, eigenständig zu wirtschaften. Wir nennen diesen Zeitraum das Zeitalter der Vernunft. [1]


Die Versklavung von Menschen aus Afrika und Südamerika für den arbeitsintensiven Baumwollanbau in der Neuen Welt muss in diesem Zusammenhang gesehen werden, sowie die imperialistischen Aktivitäten der East India Company (1600 bis 1874!), die mit eigener Armee die einst wohlhabenden indischen Weber in die andauernde Ausbeutung im Baumwollanbau getrieben haben. Sie wurden der Ersatz für die fehlende Sklavenarbeit nach der Proklamation der Befreiung in Nordamerika. Das Spinnrad ist nicht ohne Grund das Symbol der indischen Unabhänigikeitsbewegung um Mahatma Gandhi.


Feministinnen kategorisieren textile Arbeit meistens als ein von Männern erfundenes "Unterdrückungsinstrument". Damit wird die Geringachtung dieser Arbeiten weiter fortgeschrieben.


Es ist dieses Narrativ, dem wir unwissend und unkritisch zustimmen. Wir konsumieren blind, mehr als wir brauchen und entsorgen den kleinsten Fleck. Da ist es nur konsequent, unseren Kindern nicht mehr die Option zu geben, ihre Kleidung selbst nähen zu können, ganz zu schweigen vom Spinnen, Weben und Kordelherstellen. Wir finden es unwichtig und haben es selbst aus den Augen verloren.

Daran möchte ich etwas ändern.



Art is a language that speaks from heart to heart and mind to mind.

Alan Moore


Sobald ich mich hinsetze und die Nadel in die Hand nehme, freue ich mich darauf, in Ruhe anschmiegsame Dinge zu gestalten. Diese anschmiegsamen und berührenden Dinge, die in überbordender Vielfalt gestaltet wurden und immer noch werden, sind intim und persönlich.

Es lohnt sich, die Nadel und Faden als einen lebendiges Werkzeug der Kommunikation zu bewahren, Nützliches mit Schöpferischen zu verbinden. Auf diese Weise erkennen wir nicht nur die enorme Leistung an, die Frauen in unserer Menschheitsgeschichte erbracht haben, sondern können auch stolz darauf verweisen.

Wir können sie selbst nutzen, um uns kreativ auszudrücken. Wir können das Know How mit unseren Kindern teilen, und die Kinder mit ihren Kindern.


Quilts sind aus diesen menschlichen Bedingungen geboren worden, aus der Notwendigkeit mit dem auszukommen, was da ist, dem Nutzen, dem Miteinander und dem Wunsch nach Verbundenheit, nach Sinngebung und kreativer Freude. Die Frauen von Gee's Bend und Rosie Lee Tompkins malen davon ein lebendiges Bild.













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